Das Talent der Portale

„…und mit einer flüsternden Geste faltete er die Welt, sodass der Schritt vom höchsten Berg ins tiefste Tal nur ein Wimpernschlag war. Doch in seinen Augen lag die Last aller Wege, die er niemals gehen musste.“
– Fragment aus ‚Die Reisen des Koton‘
Das Talent der Portale ist eine in Lirzakin bekannte, wenn auch seltene, magische Begabung. Statistisch wird etwa alle sieben Jahre ein Magier mit dieser Fähigkeit entdeckt. Diese Magier, als Portalmagier bezeichnet, besitzen die Fähigkeit, von einem beliebigen Standpunkt aus Portale zu erschaffen. Die Auswahl der Zielorte unterliegt jedoch bestimmten Einschränkungen.
Die Effektivität eines Portalmagiers misst sich primär an der Genauigkeit seiner Portale, welche von seiner angeborenen Begabung und nicht von der Stärke seines Magieplatzes abhängt. Besonders begabte Portalmagier sind daher äußerst gefragt und werden oft mit beträchtlichen Honoraren entlohnt. Interessanterweise ist ihre Lebenserwartung, anders als bei vielen anderen Magiern, nur lose an den Magieplatz gekoppelt. Selbst ohne das Siegel von Fonul erreichten sie nur eine natürlich begrenzte Lebensspanne.
Grundlagen
Magietheoretische Einordnung
Gemeinhin wird angenommen, dass das Talent der Portale eine spezielle Ausprägung der Raummagie ist. Gestützt wird diese Theorie durch die Beobachtung, dass von Raummagiern geschaffene, sogenannte elementare Portale auch von Portalmagiern genutzt werden können.
Widersprüche zu dieser Theorie ergeben sich jedoch aus der Natur der Talentmagie selbst, die als „wild“ gilt und somit keinen direkten Zugriff auf die herkömmlichen Magien hat. Zudem konnten Symbolmagier bei der Analyse der Symbolstruktur von Portalmagiern keine eindeutigen Muster der Raummagie identifizieren.

Funktionsweise
Die Anwendung des Talents erfolgt auf zwei Weisen:
- Zugriff auf bestehende Portale: Der einfachere Weg ist der Zugriff auf ein bereits bestehendes Portal. Hierfür muss der Magier das Zielobjekt berühren, sich den gewünschten Zielort mental vorstellen und eine geringe Menge Magie in den Rahmen leiten.
- Erschaffen aus dem Nichts: Das Erschaffen eines neuen Portals ist komplexer. Der Magier formt seine Hände zu einer Schale, konzentriert sich auf Größe sowie Ziel des gewünschten Portals und fokussiert seine Magie. Diese sammelt sich als Kugel in seinen Händen. Ist eine ausreichende Menge an Energie akkumuliert, löst die Kugel eine Druckwelle aus und das Portal manifestiert sich an der nächstgelegenen räumlichen Schwachstelle. Das Portal kollabiert augenblicklich, sobald der Magier die Handhaltung verändert.
Die Reichweite und Präzision der Portale sind variabel. Im Nahbereich von etwa 10 Kilometern kann nahezu jede beliebige Tür als Zielpunkt gewählt werden. Für größere Distanzen sind ausschließlich bereits existierende, permanente Portale als Ziele anwählbar. Die Fähigkeit, ein Ziel exakt zu treffen, ist individuell verschieden. Außergewöhnlich präzise Magier können selbst ihnen unbekannte Ziele direkt ansteuern, während andere visuelle Hilfsmittel wie Abbildungen benötigen oder das Ziel zuvor persönlich gesehen haben müssen.
Wechselwirkungen mit anderen Magieformen
Der Magieplatz eines Portalmagiers beeinflusst nicht die Qualität oder Genauigkeit des Talents, sondern bestimmt lediglich die Frequenz und die Ausdauer, mit der Portale erschaffen werden können.
Eine wesentliche Eigenschaft des Talent der Portale ist, dass es andere magische Fähigkeiten stark abschwächt. Selbst ein Portalmagier auf dem Rang eines Erzmagiers kann physische Elemente nur rudimentär kontrollieren. Es gilt die Regel: Je höher die angeborene Begabung für die Genauigkeit der Portale ist, desto schwächer sind die sonstigen magischen Fähigkeiten des Anwenders ausgeprägt.
Schwächen
Das Talent der Portale unterliegt mehreren Limitierungen:
- Abwehrmaßnahmen: Die gebräuchlichste Methode zur Abwehr ist die Siegelmagie, durch die eine Tür oder ein Bereich magisch verborgen und unanwählbar gemacht wird. Nur extrem fähige Portalmagier, die bei komplexen Siegeln zudem den Rang eines Erzmagiers innehaben müssen, können solche Schutzmaßnahmen umgehen.
- Temporäre Ziele: Temporäre Portale, wie sie von Elementarmagiern oder durch bestimmte Artefakte (z.B. kronische Waffen) geschaffen werden, können von einem Portalmagier nur innerhalb eines Tages erneut aufgerufen werden. Danach verflüchtigt sich ihre magische Signatur. Von anderen Portalmagiern geschaffene Portale bleiben hingegen für etwa einen Monat anwählbar.
- Hoher Magieverbrauch: Der Magieverbrauch steht in direkter Korrelation zur angestrebten Genauigkeit. Während ein ungenaues Portal relativ wenig Energie kostet, erfordert ein präzise festgelegtes Ziel einen erheblich höheren magischen Aufwand, was bei häufiger Anwendung die Lebenserwartung des Magiers verkürzen kann.
- Mangel an Artefakt-Unterstützung: Die Unterstützung durch magische Artefakte ist stark limitiert. Eine künstliche Steigerung der angeborenen Genauigkeit ist nach derzeitigem Wissensstand nicht möglich. Artefakte können dem Talent der Portale lediglich Hilfsfunktionen bieten, etwa das Errichten neuer Portale erleichtern oder das Aktivieren eines Portals ohne physische Berührung ermöglichen.
- Begrenzte Infrastruktur: Die Errichtung neuer, permanenter Portale ist ein äußerst komplexer und ressourcenintensiver Prozess, der hohe magische Meisterschaft und die Zusammenarbeit mehrerer magischer Disziplinen erfordert. Im Gegensatz dazu ist die Deaktivierung eines Portals vergleichsweise einfach. Dies schränkt die strategische Reichweite von Portalmagiern über den Nahbereich von 10 Kilometern hinaus stark ein.
Lebenserwartung
Auch vor der Einführung des Siegels von Fonul war die Lebenserwartung von Portalmagiern begrenzt. Die für das Talent der Portale aufgewendete Magie trägt kaum zur körperlichen Verjüngung bei, hohe Präzision kann sogar zur Alterung führen. Selbst die Anwendung ihrer ohnehin schwachen sekundären Magiefähigkeiten hat nur einen minimalen verjüngenden Einfluss. Im Durchschnitt erreichen Portalmagier ein Alter von etwa 140 Jahren.


